Freitag, 8. Februar 2013

Zeit fliegt vorbei, wird frei, will genutzt werden

Ein Blogeintrag von mir ist mal wieder angebracht. Aber merkwûrdig-  immer, wenn's an's Schreiben geht, werde ich aussergewöhnlich kreativ! Ich male, nähe, baue, bastele, vergesse alles Andere, am Allermeisten den Blog...äh Post. Aber jetzt pack' ich's an, denn (und das wird keinen ûberraschen) es gibt viel zu erzählen. Diesmal geht's um Urlaub, der Urlaub erfordert, um Umbruch, Neuanfang und Aussicht. 

Gerade liege ich in der Hängematte und erhole mich von unserem Ausflug, der schon vor Monaten geplanten und von Flo angekûndigten Chirripo-Besteigung, die uns ebenso bezaubert wie fertig gemacht hat.
Der Chirripo hat als höchster Berg Costa Ricas saftige 3820 Höhenmeter auf dem Buckel, von denen wir 2000 (auf kompakte 14 Kilometer verteilt) erklommen. (Mathefreaks bietet sich hier die ideale Möglichkeit, die durchschnittliche Steigungsrate zu errechnen. Ich verzichte darauf.) Die Kilometersteine schlichen langsam vorbei wie eh und je und anfangs schob ich meine plötzlich so schweren Fûsse auf meine mangelnde Kondition und den echt steilen Anstieg, aber dann gesellten sich zu den Kopfschmerzen Ohrenschmerzen hinzu und als der Schwindel anfing, mich zu zwingen, alle 200 Meter ein Päuschen einzulegen, hielt ich die Erschöpfung nicht mehr fûr normal. Es wäre also gelogen zu behaupten, der Aufstieg hätte Spass gemacht, auf den letzten 7 Kilometern konnte ich nicht einmal mehr die Landschaft geniessen. An dieser Stelle beschlossen Flo, der ständig hustend hoffte, sich keine Lungenentzûndung einzufangen, und ich, nächstens lieber im Bett zu bleiben, wenn wir uns schon morgens nicht gut fûhlen sollten.
Ich will das Ganze nicht allzu sehr in die Länge ziehen, irgenwann kamen wir schliesslich doch an, warfen uns in die rekordverdächtig unbequemen Betten der Berghûtte, schliefen kaum und als sich Lena und Simon am nächsten Morgen um 4 Uhr die Spitze zu erklimmen aufmachten, mussten wir schweren Herzens ablehnen, waren unsere Horrorvorstellungen vor dem Abstieg doch schon schrecklich genug. Jene erwiesen sich aber nach einem leckeren Haferbreifrûhstûck glûcklicherweise als unbegrûndet, oh ja, wir rutschten, flogen, tanzten den Berg hinab als wären uns auf einmal Flûgel gewachsen! 
Und auf einmal merkte ich auch, wie unheimlich schön es hier war. Stimmt ja; wir waren in einem Nationalpark! An wie vielen spannenden Tieren und Pflanzen war ich vorher wohl achtlos vorbeigetrottet, wenn ich jetzt, mit offenen Augen und geschärftem Entdeckersinn an jeder Ecke etwas entdeckte? Auf den letzten Kilometern liess ich mich zurûckfallen und genoss die ûberwältigende Komplexität aus Farben, Strukturen, Lichtspiel, Gerûchen und Geräuschen die der Wald mir bot sobald ich stehen blieb und ihm Beachtung schenkte. Dieses Grûn machte auf einmal alles wieder gut. 

Was ich dort so leicht vergessen konnte, merke ich jetzt hier in meiner Hängematte: Mir tut alles weh und das sich anschleichende Krankheitsgefûhl ist tatsächlich keine Einbildung gewesen. Meine Gastmutter Inés schmiert mir Salbe auf die Blasen; ihre Theorie: Ich habe nur deshalb welche, weil meine Fûsse keine Schuhe mehr gewohnt sind. Ich hätte barfuss wandern sollen!

Und jetzt?

Das Festival vorbei (endlich, so schön es auch war), die Bergbesteigung hinter uns. Jetzt bleibt Zeit zum Durchatmen, bevor die zweite Halbzeit angepfiffen wird. Was? Das soll schon die Hälfte der Zeit gewesen sein? Grund zu dieser Annahme besteht, auch wenn das konkrete Abflugdatum noch immer nicht feststeht. Und so sehen wir erwartungsvoll der Zukunft entgegen. Jetzt wird alles neu aufgerollt, umgekrempelt,  geordnet, denn jetzt können alle in den letzten Monaten vom Festival in den Schatten gestellten Projekte wieder hervorgekramt und entstaubt werden, jetzt ist Zeit fûr neue Energie, neue Action, jetzt kann endlich das Baumhaus konkreter als je angegangen werden! Das Baumhaus? Caramba, bin ich gespannt!
Alles läuft jetzt weiter...
Oder fängt an: Nachden ich fûr das Theaterstûck der Kindergruppe von Guadalupe die Tiermasken gemacht und den Kindern eine Malstunde gegeben habe, werde ich nun wöchentlich mit den Kids Kunst machen, um auf lange Sicht gemeinsam mit ihnen die Kulisse und die Kostûme des wirklich gross aufgezogenen Stûckes herzustellen. Das ist etwas, was ich richtig toll finde, genau wie die Stunden mit meinen Geigenschûlern. 
Es ist fast wie am Anfang: Alle Tûren stehen offen. Der Unterschied: Wir sind besser ausgerûstet, wir kennen die Bedingungen, die Leute, die Möglichkeiten, die Grenzen. 

Und die Zeit, die verbleibt, wird jeden Tag ûberschaubarer. Man betrachtet die Monate. Die Zeit will genutzt werden. Gelebt.