Montag, 24. Dezember 2012

Weihnachten auf dem Weg nach Betlehem

das ist nicht etwa der Auszug aus einer Neuauflage der Kinderbibel, sondern als Überschrift eine wahre Tatsachenbeschreibung unserer neuesten Erlebnisse. Wir reisten in die Region Guanacaste auf der Halbinsel Nicoya im Nord-Westen Costa Ricas nach Buena Vista - keine 25 Kilometer von Belén (Span. Betlehem) entfernt.
Der Monat Dezember bestand generell für Paula und mich primär aus Reisen. Unmittelbar nach unserem Aufenthalt in Soloy, Panama ging es nahtlos sowie spontan ans Meer, um Kathis Abschied in Uvita zu feiern. Kaum zurückgekehrt, brachen wir schließlich ein drittes Mal auf zu besagtem Treffen mit unseren Freunden des GuanaReds, um unsere Jugendgruppe auf dem Campamento sowie Festival "fin del mundo viejo" (Ende der alten Welt) zu vertreten.
Die Pilgerreise im Bus (ich bin vermutlich mein gesamtes Leben zuvor insgesamt noch nicht so viel Bus gefahren, wie in diesen letzten drei Monaten in Costa Rica) war alle Mühen wert: Auf uns warteten ein weißer Sandstrand, davor ein kleiner Meereskanal, strahlender Sonnenschein, von Palmen und Guanacaste-Bäumen durchzogene Landschaft und unzählige liebe, lustige, kreative, talentierte Menschen. Zu der ganz besonders idyllischen Atmosphäre trugen außerdem die zahlreichen seltenen sowie wunderschönen Tiere bei, die in Guanacaste zu Hause sind. So kletterten z.B. an unserem Zeltplatz regelmäßig dutzende Brüllaffen vorbei, wir sahen Nasenbären, Waschbären, Schwarzleguane, Krokodilkaimane, die bizarrsten Spinnen und bei einer Auffangstation zeigte man uns unzählige Babyschildkröten. 
                                    








Zusammengefasst kann man sagen, ich hätte mir keinen schöneren Weltuntergang vorstellen können, als in dieser großartigen Stimmung unter einem klarsten, reinstem Sternenhimmel am Strand zu liegen, den Musikern, Poeten zu lauschen, die Feuerpräsentationen zu bewundern und bis tief in die Nacht Cumbia zu tanzen. Hätte die Welt also aufgehört sich zu drehen, ich wäre mit einem zufriedenen Lachen auf den Lippen aus ihr getreten.
Aus aktuellem Anlass, nämlich eben jenem, das die Welt sich aber nun doch tatsächlich weiterdreht, steht nach diesem schönsten Erlebnis Weihnachten ins Haus oder besser ins Dorf. Bei unserer Ankunft in Longo Mai veranstalteten wir mit der Kolpingfamilie den "elefante blanco" - ein Geschenkeaustausch, bei dem jeder Teilnehmer ein verpacktes Geschenk beisteuert und im Anschluss der Reihe nach ausgepackt wird; solange noch nicht jeder ein Geschenk hat, kann munter, dreist und offen bei anderen Teilnehmern geraubt werden. Ein großer Spaß, an dessen Abschluss eine wunderschöne Feier mit Chicha folgte, dem traditionellen Weihnachtsgetränk Costa Ricas.
Ich bin heute riesig gespannt auf Heilig Abend. Nicht nur in meiner Familie hat man inzwischen sogar Nadeläste als Weihnachtsbäume dekoriert, Lichterketten aufgehangen und eine Krippe aufwendig in Positur gebracht. Es kann also losgehen und ich bin seit langem wieder aufgeregt wie in diesem Moment als kleines Kind kurz vor der Bescherung. Wenn die Wohnzimmertür verschlossen war und man es durch das Mosaikglas blitzen und blinken sah; der Magen krampfte sich zusammen vor Ungeduld und Vorfreude, man hörte es wild rascheln, dann plötzlich war man sich sicher, den letzten Goldschimmer als Flügelchen des Christkinds erkannt zu haben... Wenn doch nur das Glöckchen ertönen würde!

Frohe Weihnachten!!!

Donnerstag, 6. Dezember 2012

Das Wort zum Nikolaustag

Die naechtliche Reptilienschau in La Luchita wurde noch reichlich interessant. Wir sahen einen Haufen Spinnen, Froesche und anderer Tiere, um die wir einige Messungen vornahmen. Das Observieren dauerte die gesamte Nacht lang an. Ohne Schlaf machten wir uns am naechsten Morgen auf den Heimweg. Zuvor hatte ich mit dem Biologen (Eduardo) Kontaktdaten ausgetauscht, um das Projekt ebenfalls in Longo Mai umzusetzen. Bei der Abfahrt war der gesamte Himmel in blutige Rot- und Orangetoene getraenkt. Im Kessel der Berge lag meterhoch dicker Nebel. Mit all den verschiedenen Eindruecken schliefen Lena und ich gluecklich im Bus ein.
Bei unserer Ankunft blieb dann aber keine Zeit zum weiteren Ausruhen, denn bei mir zu Hause wurde der Todestag von Paulo, dem Ehemann Doña Martas zelebriert. Haus und Hof wurden von oben bis unten geschrubbt und ich half Maritza ein Huhn fuer die Festsuppe zu schlachten. Nachdem sie der Henne den Hals umgedreht hatte, stuelpte sie einen Korb ueber das noch immer wild zitternde Tier. Im Anschluss drueckte mir Marta jenes an einem dicken Schenkel in die Hand. Es war deutlich schwerer, als es zunaechst aussah. Ich tunkte es in einen Topf mit kochendem Wasser und rupfte alle "plumas" vom Koerper, bis man es nicht mehr Federvieh haette schimpfen duerfen. Nichts an dem Vorgang machte mir etwas aus, bis auf den Geruch der Federn selbst, was mich ueberraschte. Auch das Ausnehmen, selbst das Zerteilen mit der Machete kamen mir voellig gewohnt vor (auch wenn ich normalerweise einem Huhn aus dem Supermarkt den Kopf nicht mehr abhacken brauche). Doña Marta benutzte letztlich das ganze Tier, einschliesslich der Fuesse, wobei ich mit zusammengekniffenen Augen erwirkte, dass der Suppe zumindest die Krallen vorenthalten wuerden, was fuer uns beide zu einem heftigen Lachanfall fuehrte.
Waehrend der "Feier" wurde dann eine Oration gehalten. Die halbe Familie war zu Besuch, was bei 13 Kindern einen rechten Auflauf bedeutet. Jeder Gast betete einen Rosenkranz, bis insgesamt alle jeweils dreimal an der Reihe gewesen waren. Kaum war das Beten beendet, wurde gegessen und die Menschen gingen nach Hause. Eine seltsame Erfahrung, denn niemand redete ueber den Verstorbenen - der Tag gehoerte Marta. Alle lauschten ihren Geschichten und Weisheiten. Ueber Paulo wurde eigentlich ohnehin jeden Tag gesprochen - an seinem Todestag dann lediglich fuer ihn gebetet. Besonders interessant auch, dass wo der Europaeer allgemeinhin Trauer oder Traurigkeit erwarten wuerde, stattdessen besonders gute Laune, gepaart mit festlicher Stimmung vorzufinden war. Ich habe selten so viel mit meiner Gastmama gelacht (und das will etwas heissen, denn wir bloedeln permanent herum).

Nun noch ein Wort zu Nikolaus: Obwohl unterdessen die Trockenzeit beginnt und wir es stellenweise um die 30ºC draussen haben, kam gerade auch bei uns noch Adventsstimmung auf. Wir feierten Kathis Geburtstag und machten Gluehwein mit Nelken und Sternanis. Bei einem Essen im Kerzenschein, einer herlich billigen Christmas-Pop CD, die Kathi von ihrer Mama geschickt bekommen hatte und sogar naechtlich fast kuehlen Temperaturen, wurde es richtig festlich. Und dann am naechsten Morgen das Unfassbare... der Nikolaus hatte sich tatsaechlich auf seinen langen Weg aus der Tuerkei gemacht und war zu uns nach Longo Mai gekommen!!! Mein Schuh stand (fuer Longo Mai verhaeltnisse relativ sauber mit nur einigen Spritzern Schlamm besudelt) neben unserer Holzbank. Prall gefuellt mit Aepfeln, Orangen, Schokolade und dekorativ garniert mit einer Tropenbluete, Papiersternen und sogar einem Nadelzweig, machte er stark etwas her. Nicht nur mir hat das den 06. Dezember ordentlich versuesst, denn von meiner blendenden Laune und kurzanhaltenden Vorweihnachtsstimmung gepackt, backte ich Butterplaetzchen mit Paula, die wir im Dorf verteilten. In diesem Sinne: Vielen Dank, lieber, guter Nikolaus, ich habe dich sehr lieb und will ein guter Junge bleiben - auch im naechsten Jahr!