Donnerstag, 6. Dezember 2012

Das Wort zum Nikolaustag

Die naechtliche Reptilienschau in La Luchita wurde noch reichlich interessant. Wir sahen einen Haufen Spinnen, Froesche und anderer Tiere, um die wir einige Messungen vornahmen. Das Observieren dauerte die gesamte Nacht lang an. Ohne Schlaf machten wir uns am naechsten Morgen auf den Heimweg. Zuvor hatte ich mit dem Biologen (Eduardo) Kontaktdaten ausgetauscht, um das Projekt ebenfalls in Longo Mai umzusetzen. Bei der Abfahrt war der gesamte Himmel in blutige Rot- und Orangetoene getraenkt. Im Kessel der Berge lag meterhoch dicker Nebel. Mit all den verschiedenen Eindruecken schliefen Lena und ich gluecklich im Bus ein.
Bei unserer Ankunft blieb dann aber keine Zeit zum weiteren Ausruhen, denn bei mir zu Hause wurde der Todestag von Paulo, dem Ehemann Doña Martas zelebriert. Haus und Hof wurden von oben bis unten geschrubbt und ich half Maritza ein Huhn fuer die Festsuppe zu schlachten. Nachdem sie der Henne den Hals umgedreht hatte, stuelpte sie einen Korb ueber das noch immer wild zitternde Tier. Im Anschluss drueckte mir Marta jenes an einem dicken Schenkel in die Hand. Es war deutlich schwerer, als es zunaechst aussah. Ich tunkte es in einen Topf mit kochendem Wasser und rupfte alle "plumas" vom Koerper, bis man es nicht mehr Federvieh haette schimpfen duerfen. Nichts an dem Vorgang machte mir etwas aus, bis auf den Geruch der Federn selbst, was mich ueberraschte. Auch das Ausnehmen, selbst das Zerteilen mit der Machete kamen mir voellig gewohnt vor (auch wenn ich normalerweise einem Huhn aus dem Supermarkt den Kopf nicht mehr abhacken brauche). Doña Marta benutzte letztlich das ganze Tier, einschliesslich der Fuesse, wobei ich mit zusammengekniffenen Augen erwirkte, dass der Suppe zumindest die Krallen vorenthalten wuerden, was fuer uns beide zu einem heftigen Lachanfall fuehrte.
Waehrend der "Feier" wurde dann eine Oration gehalten. Die halbe Familie war zu Besuch, was bei 13 Kindern einen rechten Auflauf bedeutet. Jeder Gast betete einen Rosenkranz, bis insgesamt alle jeweils dreimal an der Reihe gewesen waren. Kaum war das Beten beendet, wurde gegessen und die Menschen gingen nach Hause. Eine seltsame Erfahrung, denn niemand redete ueber den Verstorbenen - der Tag gehoerte Marta. Alle lauschten ihren Geschichten und Weisheiten. Ueber Paulo wurde eigentlich ohnehin jeden Tag gesprochen - an seinem Todestag dann lediglich fuer ihn gebetet. Besonders interessant auch, dass wo der Europaeer allgemeinhin Trauer oder Traurigkeit erwarten wuerde, stattdessen besonders gute Laune, gepaart mit festlicher Stimmung vorzufinden war. Ich habe selten so viel mit meiner Gastmama gelacht (und das will etwas heissen, denn wir bloedeln permanent herum).

Nun noch ein Wort zu Nikolaus: Obwohl unterdessen die Trockenzeit beginnt und wir es stellenweise um die 30ºC draussen haben, kam gerade auch bei uns noch Adventsstimmung auf. Wir feierten Kathis Geburtstag und machten Gluehwein mit Nelken und Sternanis. Bei einem Essen im Kerzenschein, einer herlich billigen Christmas-Pop CD, die Kathi von ihrer Mama geschickt bekommen hatte und sogar naechtlich fast kuehlen Temperaturen, wurde es richtig festlich. Und dann am naechsten Morgen das Unfassbare... der Nikolaus hatte sich tatsaechlich auf seinen langen Weg aus der Tuerkei gemacht und war zu uns nach Longo Mai gekommen!!! Mein Schuh stand (fuer Longo Mai verhaeltnisse relativ sauber mit nur einigen Spritzern Schlamm besudelt) neben unserer Holzbank. Prall gefuellt mit Aepfeln, Orangen, Schokolade und dekorativ garniert mit einer Tropenbluete, Papiersternen und sogar einem Nadelzweig, machte er stark etwas her. Nicht nur mir hat das den 06. Dezember ordentlich versuesst, denn von meiner blendenden Laune und kurzanhaltenden Vorweihnachtsstimmung gepackt, backte ich Butterplaetzchen mit Paula, die wir im Dorf verteilten. In diesem Sinne: Vielen Dank, lieber, guter Nikolaus, ich habe dich sehr lieb und will ein guter Junge bleiben - auch im naechsten Jahr!



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