Montag, 19. November 2012

Yin & Yang

Jetzt habe ich mich eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gemeldet und es ist in der Zwischenzeit sehr viel passiert. Zusammenfassend kann man wohl sagen, dass wir vor allem produktiv gearbeitet haben an unseren diversen Projekten; neue Vorhaben wurden angegangen. Neben der regen Beschäftigung war ein Hauptgrund für das Ausbleiben eines Lebenszeichens, dass sowohl Paula als auch ich relativ zeitgleich unsere erste emotionale Talfahrt durchmachten. Es bedurfte einer Weile, jeweils seinen Platz innerhalb einer Gemeinschaft von unterdessen 21 (!) Freiwilligen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie auf der anderen Seite innerhalb des Dorfes zu finden.
Nachdem die Sonne, nicht nur metaphorisch, wieder aufgegangen war in Longo Mai – der Hurrican Sandy unterstrich passenderweise zur gleichen Zeit das Ende der Regenzeit, indem er große Teile Costa Ricas unter Wasser setzte, – ging es auch mit der Laune wieder stark bergauf.
Wir erstellten einen neuen, deutlich günstigeren Kostenvoranschlag für unser Baumhaus, hatten weiterhin gleichermaßen erfolgreiche wie lustige Treffen mit der Jugendgruppe und schmissen uns in Arbeit.







Außerdem standen die letzten Wochen im Zeichen der Tiere: In der Casa Zivi haben wir mittlerweile eine Babykatze „Yuca“, andere Freiwillige haben einen Hundewelpen „Heidi“, ein einsames Küken hat mich als Mutter angenommen „Chichi“ (ich bin recht stolz, sie kann schon ihren Namen sagen!), eine handballgroße Kröte besucht mich nächtlich auf dem Klo, vor kurzem beehrte mich eine winzige Landschildkröte und wir fanden einen am Flügel verletzen Kolibri, den wir mit Honigwasser aufpäppelten.
Nun kann man es abergläubisch ein Omen nennen oder nicht, aber Chichi verstarb unlängst, was mir Dona Marta drei Tage später nebenbei mitteilte und der Kolibri beging Suizid – erst stürzte er sich lebensmüde in einen reißenden Fluss bei einem Wasserfall, dann, nachdem ich ihn gerettet sowie getrocknet hatte, sprang er energisch mit dem Kopf solange gegen eine Wand, bis er zitternd das Leben aushauchte...
Bei aller Todestragik in der Tierwelt, blieb die Lebensfreude der Menschen in Sonador ungetrübt. Wir veranstalteten ein Konzert für die Dorfgemeinschaft, auf dem wir mit Safranbrot auftraten sowie einige Stücke mit David und Stefi einstudierten. Mit der Jugendgruppe verkauften wir Speisen und Getränke, um für unser Baumhaus Gelder zu sammeln. Die Initiative unser Truppe war und ist beeindruckend: Sie kümmerten sich eigenständig um die Organisation, bereiteten die Verpflegung vor und verwalteten das Geld. Nach dem Konzert säuberten sie das gesamte Rancho, bevor sie ohne unser Wissen spontan eine reunion einberiefen, zu der wir schließlich aufgeregt eingeladen wurden! Sie zählten das Geld gemeinsam aus, später im Anschluss gab es eine fiesta mit Musik und ohne Alkohol. Alle wurden zum Tanzen aufgefordert und wer nicht freiwillig kooperierte, wurde in einen wild umherspringenden Kreis aufgenommen. Pünktlich vor der Nachtruhe wurde ohne Aufforderung unserer Seite aus die Musik ausgemacht.
Es bedarf wohl keiner weiteren Worte mehr, um sich vorstellen zu können, wie stolz wir auf die Mädchen und Jungs sind!!!
Folgerichtig wurde dann auch das Lagerfeuer am Guanacaste mit der Truppe wunderschön. Wir hüteten die Stelle bis spät in die Nacht, lagen unter freiem, glasklarem Himmel und beobachteten die abermilliarden Sterne (alle Sternbilder sind hier falsch herum...) Besonders gefiel es mir, Stockbrot in Costa Rica zu machen. Genau wie die Weihnachtsplätzchen, die Pau und ich mit Miel de Coco, Miel de Limon und Miel de Carambola verfeinerten (an dieser Stelle ein herzlicher Dank an meine Mama, die mir allerlei Backzutaten aus der Heimat geschickt hat, um die Weihnachtsbäckerei von Longo Mai zu eröffnen), stand es für mich als perfekte Symbiose zwischen Deutschland und Costa Rica. Dass sich beides mittlerweile prima miteinander verbinden lässt, zeigt mir: Nach nun gut drei Monaten bin ich wirklich angekommen.




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