Montag, 24. Dezember 2012

Weihnachten auf dem Weg nach Betlehem

das ist nicht etwa der Auszug aus einer Neuauflage der Kinderbibel, sondern als Überschrift eine wahre Tatsachenbeschreibung unserer neuesten Erlebnisse. Wir reisten in die Region Guanacaste auf der Halbinsel Nicoya im Nord-Westen Costa Ricas nach Buena Vista - keine 25 Kilometer von Belén (Span. Betlehem) entfernt.
Der Monat Dezember bestand generell für Paula und mich primär aus Reisen. Unmittelbar nach unserem Aufenthalt in Soloy, Panama ging es nahtlos sowie spontan ans Meer, um Kathis Abschied in Uvita zu feiern. Kaum zurückgekehrt, brachen wir schließlich ein drittes Mal auf zu besagtem Treffen mit unseren Freunden des GuanaReds, um unsere Jugendgruppe auf dem Campamento sowie Festival "fin del mundo viejo" (Ende der alten Welt) zu vertreten.
Die Pilgerreise im Bus (ich bin vermutlich mein gesamtes Leben zuvor insgesamt noch nicht so viel Bus gefahren, wie in diesen letzten drei Monaten in Costa Rica) war alle Mühen wert: Auf uns warteten ein weißer Sandstrand, davor ein kleiner Meereskanal, strahlender Sonnenschein, von Palmen und Guanacaste-Bäumen durchzogene Landschaft und unzählige liebe, lustige, kreative, talentierte Menschen. Zu der ganz besonders idyllischen Atmosphäre trugen außerdem die zahlreichen seltenen sowie wunderschönen Tiere bei, die in Guanacaste zu Hause sind. So kletterten z.B. an unserem Zeltplatz regelmäßig dutzende Brüllaffen vorbei, wir sahen Nasenbären, Waschbären, Schwarzleguane, Krokodilkaimane, die bizarrsten Spinnen und bei einer Auffangstation zeigte man uns unzählige Babyschildkröten. 
                                    








Zusammengefasst kann man sagen, ich hätte mir keinen schöneren Weltuntergang vorstellen können, als in dieser großartigen Stimmung unter einem klarsten, reinstem Sternenhimmel am Strand zu liegen, den Musikern, Poeten zu lauschen, die Feuerpräsentationen zu bewundern und bis tief in die Nacht Cumbia zu tanzen. Hätte die Welt also aufgehört sich zu drehen, ich wäre mit einem zufriedenen Lachen auf den Lippen aus ihr getreten.
Aus aktuellem Anlass, nämlich eben jenem, das die Welt sich aber nun doch tatsächlich weiterdreht, steht nach diesem schönsten Erlebnis Weihnachten ins Haus oder besser ins Dorf. Bei unserer Ankunft in Longo Mai veranstalteten wir mit der Kolpingfamilie den "elefante blanco" - ein Geschenkeaustausch, bei dem jeder Teilnehmer ein verpacktes Geschenk beisteuert und im Anschluss der Reihe nach ausgepackt wird; solange noch nicht jeder ein Geschenk hat, kann munter, dreist und offen bei anderen Teilnehmern geraubt werden. Ein großer Spaß, an dessen Abschluss eine wunderschöne Feier mit Chicha folgte, dem traditionellen Weihnachtsgetränk Costa Ricas.
Ich bin heute riesig gespannt auf Heilig Abend. Nicht nur in meiner Familie hat man inzwischen sogar Nadeläste als Weihnachtsbäume dekoriert, Lichterketten aufgehangen und eine Krippe aufwendig in Positur gebracht. Es kann also losgehen und ich bin seit langem wieder aufgeregt wie in diesem Moment als kleines Kind kurz vor der Bescherung. Wenn die Wohnzimmertür verschlossen war und man es durch das Mosaikglas blitzen und blinken sah; der Magen krampfte sich zusammen vor Ungeduld und Vorfreude, man hörte es wild rascheln, dann plötzlich war man sich sicher, den letzten Goldschimmer als Flügelchen des Christkinds erkannt zu haben... Wenn doch nur das Glöckchen ertönen würde!

Frohe Weihnachten!!!

Donnerstag, 6. Dezember 2012

Das Wort zum Nikolaustag

Die naechtliche Reptilienschau in La Luchita wurde noch reichlich interessant. Wir sahen einen Haufen Spinnen, Froesche und anderer Tiere, um die wir einige Messungen vornahmen. Das Observieren dauerte die gesamte Nacht lang an. Ohne Schlaf machten wir uns am naechsten Morgen auf den Heimweg. Zuvor hatte ich mit dem Biologen (Eduardo) Kontaktdaten ausgetauscht, um das Projekt ebenfalls in Longo Mai umzusetzen. Bei der Abfahrt war der gesamte Himmel in blutige Rot- und Orangetoene getraenkt. Im Kessel der Berge lag meterhoch dicker Nebel. Mit all den verschiedenen Eindruecken schliefen Lena und ich gluecklich im Bus ein.
Bei unserer Ankunft blieb dann aber keine Zeit zum weiteren Ausruhen, denn bei mir zu Hause wurde der Todestag von Paulo, dem Ehemann Doña Martas zelebriert. Haus und Hof wurden von oben bis unten geschrubbt und ich half Maritza ein Huhn fuer die Festsuppe zu schlachten. Nachdem sie der Henne den Hals umgedreht hatte, stuelpte sie einen Korb ueber das noch immer wild zitternde Tier. Im Anschluss drueckte mir Marta jenes an einem dicken Schenkel in die Hand. Es war deutlich schwerer, als es zunaechst aussah. Ich tunkte es in einen Topf mit kochendem Wasser und rupfte alle "plumas" vom Koerper, bis man es nicht mehr Federvieh haette schimpfen duerfen. Nichts an dem Vorgang machte mir etwas aus, bis auf den Geruch der Federn selbst, was mich ueberraschte. Auch das Ausnehmen, selbst das Zerteilen mit der Machete kamen mir voellig gewohnt vor (auch wenn ich normalerweise einem Huhn aus dem Supermarkt den Kopf nicht mehr abhacken brauche). Doña Marta benutzte letztlich das ganze Tier, einschliesslich der Fuesse, wobei ich mit zusammengekniffenen Augen erwirkte, dass der Suppe zumindest die Krallen vorenthalten wuerden, was fuer uns beide zu einem heftigen Lachanfall fuehrte.
Waehrend der "Feier" wurde dann eine Oration gehalten. Die halbe Familie war zu Besuch, was bei 13 Kindern einen rechten Auflauf bedeutet. Jeder Gast betete einen Rosenkranz, bis insgesamt alle jeweils dreimal an der Reihe gewesen waren. Kaum war das Beten beendet, wurde gegessen und die Menschen gingen nach Hause. Eine seltsame Erfahrung, denn niemand redete ueber den Verstorbenen - der Tag gehoerte Marta. Alle lauschten ihren Geschichten und Weisheiten. Ueber Paulo wurde eigentlich ohnehin jeden Tag gesprochen - an seinem Todestag dann lediglich fuer ihn gebetet. Besonders interessant auch, dass wo der Europaeer allgemeinhin Trauer oder Traurigkeit erwarten wuerde, stattdessen besonders gute Laune, gepaart mit festlicher Stimmung vorzufinden war. Ich habe selten so viel mit meiner Gastmama gelacht (und das will etwas heissen, denn wir bloedeln permanent herum).

Nun noch ein Wort zu Nikolaus: Obwohl unterdessen die Trockenzeit beginnt und wir es stellenweise um die 30ºC draussen haben, kam gerade auch bei uns noch Adventsstimmung auf. Wir feierten Kathis Geburtstag und machten Gluehwein mit Nelken und Sternanis. Bei einem Essen im Kerzenschein, einer herlich billigen Christmas-Pop CD, die Kathi von ihrer Mama geschickt bekommen hatte und sogar naechtlich fast kuehlen Temperaturen, wurde es richtig festlich. Und dann am naechsten Morgen das Unfassbare... der Nikolaus hatte sich tatsaechlich auf seinen langen Weg aus der Tuerkei gemacht und war zu uns nach Longo Mai gekommen!!! Mein Schuh stand (fuer Longo Mai verhaeltnisse relativ sauber mit nur einigen Spritzern Schlamm besudelt) neben unserer Holzbank. Prall gefuellt mit Aepfeln, Orangen, Schokolade und dekorativ garniert mit einer Tropenbluete, Papiersternen und sogar einem Nadelzweig, machte er stark etwas her. Nicht nur mir hat das den 06. Dezember ordentlich versuesst, denn von meiner blendenden Laune und kurzanhaltenden Vorweihnachtsstimmung gepackt, backte ich Butterplaetzchen mit Paula, die wir im Dorf verteilten. In diesem Sinne: Vielen Dank, lieber, guter Nikolaus, ich habe dich sehr lieb und will ein guter Junge bleiben - auch im naechsten Jahr!



Samstag, 24. November 2012

Peter Lustig wäre neidisch!

Noch ein Monat bis heilig Abend und ich habe nicht nur das Weihnachtspäckchen für Familie und Freunde bereits versendet, sondern mir mein eigenes Weihnachtsgeschenk bereits gemacht: Ich werde im März nach Ecuador fliegen, um Valerie und die anderen Freiwilligen in Quito zu besuchen! Ich kann es noch gar nicht fassen, aber dafür habe ich auch noch Zeit.
Am Freitag war ich mit Lena in Buenos Aires auf einer reunion mit der Frauengruppe. Frauengruppen aus der ganzen Region kamen zusammen und tauschten sich aus. Am Ende hatten wir großen Spaß sowie alle Kontaktdaten inklusive Einladungen, von welchen wir gerade eine wahrnehmen. Wir befinden uns in La Luchita bei La Lucha nicht unweit von La Cruz bei Portero Grande, das an den Nationalpark La Amistad angrenzt, nahe des Arsches der Welt. Das Dorf besteht aus 50 Personen und der Kern ist vom Rest tatsächlich so weit weg, wie es sich anhört.
Bei unserer Ankunft fühlten wir uns wie im Wilden Westen. In einer Saloon-Soda mit Schwingtür aß ich die bisher leckerste empanada in Costa Rica. Mit fresco gestärkt machten wir uns in der sengenden Hitze auf den Weg zwölf Kilometer durch die Berge. Wie töricht, zu glauben, wir hätten die Strecke bergauf, bergab durch einen Kessel der Cordelliere auch zu Fuß schaffen können! Zum Glück nahmen uns erst ein Pfarrer, später einige Campesinos auf ihrer Ladefläche mit.
Und da war dieser ganz spezielle Moment: Wenn du in Gummistiefeln einen steinigen Pfad hochsteigst, hinter dir nähert sich klackernd eine Staubwolke, du pfeifst, das Auto bleibt stehen, du springst gekonnt auf, schiebst Macheten sowie Kaffeesäcke zur Seite und lehnst dich an den Rand der Ladefläche. Das Auto fährt los, du hältst dich fest, dein Gesäß freut sich über all die prächtigen Schlaglöcher; während dir bei Tempo 60 bergab der Wind die Haare zerzaust, schaust du auf leuchtend grüne Landschaften, Viehherden, Palmen, nebelumspielte Berge und in einen strahlend blauen Himmel. Und du denkst dir… nichts Besonderes. Genau! „Schön hier“, vielleicht, aber nichts weiter – zu sehr hast du dich bereits an diese unglaubliche Naturpracht, diesen anderen Lebensstil, an ein „pura vida!“ gewöhnt.
Ein neues Gefühl, ungewohnt, aber irgendwie erhebend. Auch mit der Sprache läuft es mittlerweile fließend, ich erkenne einen Sternfruchtbaum an der Blattform, überhaupt weiß ich, dass Carambolas am Baum wachsen, bin im Tagesablauf der Ticos angekommen, selbstverständlich benutze ich meine Machete als Werkzeug, gehe in den Regenwald oder betrachte gelangweilt abwechselnd die handtellergroße Küchenschabe, dann die faustgroße Spinne im Bad.
Momentan frage ich mich, wie es sich in weiteren drei Monaten anfühlen muss. Gerade wirkt alles unglaublich vertraut, immer mehr intime Beziehungen tun sich auf. Das alles schafft ein Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit und auch Heimat. Wird das alles umschlagen in Routine, in Langeweile? Irgendwie kann ich mir das beim besten Willen nicht vorstellen, dafür erlebe ich viel zu viel, habe zu viele interessante Projekte. Ich weiß es nicht, aber ich werde weiter berichten.
In wenigen Minuten gehen wir mit einem Biologen und einigen Interessenten aus dem Dorf in den Regenwald, um die Nacht über Spinnen, Amphibien und Reptilien zu beobachten. Man schätzt 75% aller Tierarten in Zentralamerika sind noch unentdeckt. Peter Lustig wäre neidisch! Ich bin aufgeregt wie ein kleiner Junge. Wissenschaft zum Anfassen, auf den Spuren von Darwin und Co. Tuanis!

Montag, 19. November 2012

Yin & Yang

Jetzt habe ich mich eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gemeldet und es ist in der Zwischenzeit sehr viel passiert. Zusammenfassend kann man wohl sagen, dass wir vor allem produktiv gearbeitet haben an unseren diversen Projekten; neue Vorhaben wurden angegangen. Neben der regen Beschäftigung war ein Hauptgrund für das Ausbleiben eines Lebenszeichens, dass sowohl Paula als auch ich relativ zeitgleich unsere erste emotionale Talfahrt durchmachten. Es bedurfte einer Weile, jeweils seinen Platz innerhalb einer Gemeinschaft von unterdessen 21 (!) Freiwilligen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie auf der anderen Seite innerhalb des Dorfes zu finden.
Nachdem die Sonne, nicht nur metaphorisch, wieder aufgegangen war in Longo Mai – der Hurrican Sandy unterstrich passenderweise zur gleichen Zeit das Ende der Regenzeit, indem er große Teile Costa Ricas unter Wasser setzte, – ging es auch mit der Laune wieder stark bergauf.
Wir erstellten einen neuen, deutlich günstigeren Kostenvoranschlag für unser Baumhaus, hatten weiterhin gleichermaßen erfolgreiche wie lustige Treffen mit der Jugendgruppe und schmissen uns in Arbeit.







Außerdem standen die letzten Wochen im Zeichen der Tiere: In der Casa Zivi haben wir mittlerweile eine Babykatze „Yuca“, andere Freiwillige haben einen Hundewelpen „Heidi“, ein einsames Küken hat mich als Mutter angenommen „Chichi“ (ich bin recht stolz, sie kann schon ihren Namen sagen!), eine handballgroße Kröte besucht mich nächtlich auf dem Klo, vor kurzem beehrte mich eine winzige Landschildkröte und wir fanden einen am Flügel verletzen Kolibri, den wir mit Honigwasser aufpäppelten.
Nun kann man es abergläubisch ein Omen nennen oder nicht, aber Chichi verstarb unlängst, was mir Dona Marta drei Tage später nebenbei mitteilte und der Kolibri beging Suizid – erst stürzte er sich lebensmüde in einen reißenden Fluss bei einem Wasserfall, dann, nachdem ich ihn gerettet sowie getrocknet hatte, sprang er energisch mit dem Kopf solange gegen eine Wand, bis er zitternd das Leben aushauchte...
Bei aller Todestragik in der Tierwelt, blieb die Lebensfreude der Menschen in Sonador ungetrübt. Wir veranstalteten ein Konzert für die Dorfgemeinschaft, auf dem wir mit Safranbrot auftraten sowie einige Stücke mit David und Stefi einstudierten. Mit der Jugendgruppe verkauften wir Speisen und Getränke, um für unser Baumhaus Gelder zu sammeln. Die Initiative unser Truppe war und ist beeindruckend: Sie kümmerten sich eigenständig um die Organisation, bereiteten die Verpflegung vor und verwalteten das Geld. Nach dem Konzert säuberten sie das gesamte Rancho, bevor sie ohne unser Wissen spontan eine reunion einberiefen, zu der wir schließlich aufgeregt eingeladen wurden! Sie zählten das Geld gemeinsam aus, später im Anschluss gab es eine fiesta mit Musik und ohne Alkohol. Alle wurden zum Tanzen aufgefordert und wer nicht freiwillig kooperierte, wurde in einen wild umherspringenden Kreis aufgenommen. Pünktlich vor der Nachtruhe wurde ohne Aufforderung unserer Seite aus die Musik ausgemacht.
Es bedarf wohl keiner weiteren Worte mehr, um sich vorstellen zu können, wie stolz wir auf die Mädchen und Jungs sind!!!
Folgerichtig wurde dann auch das Lagerfeuer am Guanacaste mit der Truppe wunderschön. Wir hüteten die Stelle bis spät in die Nacht, lagen unter freiem, glasklarem Himmel und beobachteten die abermilliarden Sterne (alle Sternbilder sind hier falsch herum...) Besonders gefiel es mir, Stockbrot in Costa Rica zu machen. Genau wie die Weihnachtsplätzchen, die Pau und ich mit Miel de Coco, Miel de Limon und Miel de Carambola verfeinerten (an dieser Stelle ein herzlicher Dank an meine Mama, die mir allerlei Backzutaten aus der Heimat geschickt hat, um die Weihnachtsbäckerei von Longo Mai zu eröffnen), stand es für mich als perfekte Symbiose zwischen Deutschland und Costa Rica. Dass sich beides mittlerweile prima miteinander verbinden lässt, zeigt mir: Nach nun gut drei Monaten bin ich wirklich angekommen.




Donnerstag, 8. November 2012

Gedankenströme

Die Zeit plätschert unaufhaltsam über Stock und Stein, mal wild, mal sanft und blau, mal schnell, mal träge und gemächlich. In Deutschland neigt sich jetzt wohl der Herbst dem Ende zu, und von hier aus hören wir gebannt zu, wie ihr von Kälte, Schnee und dicken Jacken erzählt.
Unser Alltag ist leuchtend grün angemalt, mit verspielten roten und blauen und gelben Tupfern und Kreiseln und Spritzern aller Farben der Welt. Nein, Neid kommt hier nicht auf.

"Pura Vida!" pflegen die Ticos zu sagen und auch wenn dieser Ausdruck von allen, die mit Touristen zu tun haben, ziemlich plattgetrampelt und langgezogen wird, so ist es doch schwer, sich seiner Aussage zu entziehen. Und auch nicht nötig, denn das Pure Leben packt mich, schüttelt mich und zeigt mir die Schönheit des Einfachen. Ich habe keinen festen Stundenplan, keine Zeit in meinem Wecker gespeichert, keine festen Aufgaben. Arbeit und Freizeit vermischen sich zu einem Lebensrezept, das mir momentan ziemlich gut schmeckt.
Wer jetzt den Eindruck hat, ich läge den ganzen Tag auf der faulen Haut, der liegt falsch. Vielmehr ist es so, dass mir freisteht, zu arbeiten, und dass ich mir deshalb alles, was ich tu, selbst auferlegt habe. Ich mache also das, was mir Spaß macht oder sinnvoll erscheint, was einen kurz- oder langfristigen Nutzen hat, andere oder mich selbst irgendwie weiterbringt. Jeden Tag warten neue Aufgaben, jeder Tag ist anders, auch wenn als größter Teil meiner "Arbeit" die Jugendgruppe und das Baumhaus fest verwurzelt stehen.
Zwei Monate- ist das viel?
Alle paar Tage kommt dann der Moment, in dem ich stehen bleibe, mich umgucke, ein- oder zweimal tief einatme und aufsauge, was mich umgibt. "Was tu ich hier eigentlich? Wo bin ich hier überhaupt?"
Nein, normal ist das nicht. Auch wenn der Alltag mir heimlich hinterherschleicht und ab und zu mein Leben einzuhüllen versucht. Schafft er aber nicht. Besonders der Regenwald haut mich immer wieder um, da kann ich noch so oft über die verwunschenen Pfade streifen. Das Barfußlaufen macht glücklich und nicht selten muss ich einfach lachen: Ja, ich bin ein Glückskind.

Gut, gut, ich weiß, dass ich hier kein Märchen schreibe. Natürlich gibt es Schwierigkeiten und Probleme.
Die Visaangelegenheiten, haben sich noch immer nicht geklärt und es gab Probleme bei der Geldübertragung von Kolping an die Familien, was in meinem Fall ziemlich extrem war weil das Geld einfach gefehlt hat um Essen zu kaufen und ich hoffe, dass sich das endlich, wie angekündigt, klärt. Darüber möchte ich mich aber hier nicht auslassen, wer möchte, fragt einfach.

Oh, ich wollte euch auch noch bezüglich Baumhaus auf dem Laufenden halten: Mittlerweile haben wir uns getraut, den Baumbesitzer zu fragen, ich mit schlotternden Knien, weil von seiner Zustimmung so viel abhing. Aber ich hätte mir gar keine Sorgen machen sollen, Aino gab nicht nur sein Einverständnis, sondern schenkt uns nun auch noch eine Menge Holz, was das Ganze für uns extrem vereinfacht. Die meisten Kosten fallen nun dafür an, die geschenkten Bäume zurechtsägen zu lassen, sowie einen Metallpfosten, Werkzeug, Schrauben, u.ä. zu kaufen. Momentan sind wir also dabei, sowohl mit, als auch ohne die Jugendlichen Spenden zu sammeln (da sind wir ja Spezialisten) und mit Essenverkäufen Geld zu verdienen.
Soviel zum aktuellen Stand der Dinge.

Pura Vida!


P.S.: ich erwarte sehnsüchtig den Sommer, die regenfreie Zeit...:)



Samstag, 20. Oktober 2012

Oh, wie schön ist Panama

...und naaaass!!! Zumindest die Region um Chirriquí. Woher ich das weiß? Na, wir waren die letzte Woche da, in Panama. Mehr oder minder spontan, in jedem Fall kann man das über den Abreisetag sagen. "Am Sonntag?", fragte der kleine Florian. "Am Sonntag.", sagte die kleine Paula. Und genau wie in dem Kinderbuch von Janosch, machten wir uns dann auf die Reise.
Den ganzen ersten Tag dauerte die Hinfahrt nach Ciudad Neily, über Paso Canoas nach Volcán Barú. Dort angekommen, dämmerte es bereits und es regnete ohne Unterlass.
"Jetzt noch auf den Berg steigen?", fragte der kleine Florian. "Jetzt noch auf den Berg steigen!", sagte die kleine Paula. Und Regen, Dunkelheit oder Husten zum Trotz, stiegen sie auf den Berg.
Bis zum Ziel waren wir zweieinhalb Stunden unterwegs; völlig erschöpft, klatschnass von oben bis unten und halb erfroren erreichten wir den Eingang des Nationalparkes. Wir kochten uns Nudeln mit dem Gaskocher und bauten das Zelt auf. Da wir keine Befestigungsmöglichkeiten für unsere Regenplane hatten, wurde die Nacht noch nasser und kälter als erwartet. Ich persönlich bezweifle, dass die Regenplane noch einen großen Unterschied gemacht hätte, immerhin war vorher bereits alles nass. Ich machte kein Auge zu und war froh, als endlich die Sonne aufging.


Die Aussicht vom Berg ins Tal, die Blumen auf unserem Zeltplatz, der Strauch, in dem dutzende Kolobris spielten und die Sonne auf der Haut (unter vier T-Shirts + einer Jacke) entschädigten schließlich für die Zitterpartie in der Nacht. Von Volcán Barú brachen wir auf nach Boquete. Viereinhalb Stunden durch die Cordelliere, die Bergkette nichts als unberührter Nebelwald.


Die Vegetation dort ist unfassbar: Tausend und abertausend Grüntöne schaffen den Eindruck, dass keine andere Farbe nötig ist, um das bunteste aller Bilder zu malen; Pflanzen recken und strecken sich in alle Richtungen; Blumen, bunt und prächtig, verstecken sich hier und dort wie kräftige Tupfer in der Landschaft; Lianen säumen den Wegesrand; saphierfarbendes, leuchtendes Moos ummantelt Äste, Stämme, Steine, Stöcke; Baumkronen ragen so weit in den Himmel, dass man deren Ende nicht erkennt; Bäume, älter als der Wald, in dem sie stehen, bewachen die Einsamkeit; hunderte, verschiedene Vögel zwitschern, piepesen, singen in einer Symphonie mit dem beständigen Zirpen der Grillen und dem Rauschen der Flüsse, dem Donnern der Wasserfälle, die regelmäßig unseren Weg kreutzen. Und über allem liegt lautlos der Nebel, der die Berge und Baumkronen weich wie Watte streichelt.
Kein Wunder, dass dieses Paradies zum Naturschutzgebiet ernannt wurde.


Noch heute birgt es die letzten - stark vom Aussterben bedrohten - Quetzal-Vögel, Jaguare, Ozelote und viele weitere Arten, die der Mensch durch Wilderei und Abholzung des Regenwaldes an den Rand der Ausrottung getrieben hat. Der Seltenheit dieser Tiere geschuldet also ebensowenig verwunderlich, dass wir von den bedohten Arten keine zu Gesicht bekamen. Dafür lief ich meiner ersten lebendigen Schlange und meiner ersten Vogelspinne über den Weg. Wir sahen sie früh und beide waren ziemlich klein, was mir nur Recht war.
Am Ende der Wanderung angelangt, schüttete es schon wieder in Strömen - wie wir später feststellen sollten, regnet es in Boquete quasi immer, weshalb die Stadt zu einer der zwei regenreichsten Regionen des Landes (wenn nicht der Welt?!) gehört - also waren wir froh, eine Mitfahrgelegenheit zu finden. Das war zwar windig kalt mit Wasser von allen Seiten, aber dafür waren wir wenigstens auf der Stelle am ganzen Körper nass und suppten nicht erneut Stück für Stück durch, wie drei Kaffee-Filter auf Wanderschaft. Zudem kamen wir deutlich schneller ans Ziel.

Kurz vorm Stadtzentrum genehmigten wir uns erst einmal eine heiße Schokolade zum Aufwärmen und "Fresas con Crema". In der Stadt selbst stürmten wir ein Restaurant und aßen uns satt. Am Ende bezahlten wir unglaubliche 3$! Essen ist in Panama nicht nur lecker, sondern auch wirklich günstig. Daraufhin hatte auch Paula nichts dagegen, ein Hostel zu nehmen - die Aussicht auf eine warme(!!!) Dusche + ein trockenes(!!!) Bett waren zu verlockend.
Der zweite Teil unserer Reise führte uns schließlich in die Karibik; auf die Inseln Bocas und ihre kleine Schwester Bastimentos.



Während Bocas sich als Touristenhochburg herausstellte, wenngleich mit einem ganz eigenen Charme, und uns eine Ameisenplage beim Wildcampen am Strand das Leben schwer machte, so fanden wir in Bastimentos einen Traumstrand direkt hinter einem Stück Regenwald. Flankiert von Felsen und Palmen, schlängelte sich ein weißer, menschenleerer Sandstrand die Küste entlang. Das Wasser war so klar, dass man bis auf den Grund schauen konnte und schillerte in der Ferne in verschiedensten Blautönen, bis es schließlich mit dem Horizont ganz verschmolz.
Paula führte uns an einem Tag in den Regenwald, um Pfeilgiftfrösche zu suchen, die wir auch zahlreich antrafen. "Sind die giftig?", fragte die kleine Paula. "Ohja.", sagte der kleine Florian. "Sehr sogar!".
Unser Hostel lag auf einem Steg unmittelbar im Meer. Wir sahen verschiedenste Fische, einen Rochen(!), der aus dem Wasser sprang, und Paula entdeckte Delphine.


Wir genossen die karibische Küche und ließen uns die Sonne auf den Bauch scheinen in unseren Hängematten - ein tolles Gefühl nach dem nassen Teil der Reise.
Mittlerweile sind wir zurück und gut angekommen. In unseren Reisepässen haben wir die Stempel, um vorerst weitere 90 Tage in Costa Rica bleiben zu dürfen, was das offizielle Motiv für unsere Ausreise war, die schließlich zum Abenteuer-Traumurlaub avancierte.
Ich sitze nun in der Casa Zivi, schleife an meiner eigenen Machete (die noch keinen Namen hat... Vorschläge?) und träume von den Erlebnissen. Gleich kommt Paula vorbei und wir planen eine Schnitzeljagt mit der Jugendgruppe für heute, bevor wir nächste Woche mit dem Bauen beginnen. Ich freu mich schon auf die Truppe - das wird sicher lustig!