Mittwoch, 19. September 2012

Der Ideenbrunnen sprudelt

Fragt man mein Tagebuch, ist heute der 15. Tag.
Damit haben wir nun die typische Urlaubslänge überschritten. Und mit dem Wissen, dass mit den letzten zwei Wochen kein nennenswerter Teil meines Aufenthaltes hier vergangen ist, stellt sich langsam das Gefühl ein, angekommen zu sein.
Unfassbar, wie schnell ein komplett anderes Leben Alltag werden kann.
Unfassbar auch, dass in diesem Dorf im Regenwald, in dem es zwei Miniläden, zwei Minikirchen, eine Straße und ca. 500 Leute, die man nach kurzer Zeit alle zumindest schon einmal gesehen hat, keine Langeweile aufkommt.


Wenn man sich auf die Ruhe einlässt, ist jeder Tag erfüllend. Auf dem Feld gibt es immer etwas zu tun, ständig gibt es Reuniones der Freiwilligen, der Frauengruppe, der Kolpingfamilie (die eigentlich aus denselben Leuten besteht) oder verschiedener Projektkomitees.

Die Freiheit bei der Projektfindung, die mich anfangs sehr verwirrt hat, lässt sich super konstruktiv zur Verwirklichung von Träumen nutzen und lässt einen ungeheuer großen Raum für persönlichen Austausch. Natürlich leisten wir keine Entwicklungshilfe, aber das zu tun sind wir auch nicht gekommen. Wir erweitern nicht nur unseren Horizont, wir tauchen auch ein in ein anderes Leben, ein Leben, das einfach ist, intensiv und das sich im Hier und Jetzt abspielt. Und die Möglichkeiten sind gigantisch. Was utopisch scheint, ist realisierbar. Jeden Tag habe ich neue Ideen für Projekte, so viele, dass das alles gar nicht zu schaffen ist. Ein Festival wird von den Freiwilligen organisiert, wir gründen eine Jugendgruppe (darüber schreibt Flori sicher noch etwas), ein Müllprojekt wird zum wiederholten Male gestartet, es gibt die Möglichkeit in einem Dorf von Indígenas beim Kampf gegen den Bau eines Staudammes zu helfen; ein Lehmofen soll gebaut werden, man könnte Musikunterricht in der Grundschule geben und mit den Kindern Instrumente bauen, man könnte ein Buch über das angesammelte Wissen der Dorffrauen über Arzneipflanzen schreiben, man könnte, man könnte, man könnte...Und man kann!

 Natürlich gibt es auch diese Momente, in denen ich mich unnütz fühle. Welchen Sinn macht es überhaupt für mich, hier zu sein, wenn es keinen festgelegten Aufgabenplan gibt? Aber die Antwort auf diese Frage kann ich mir selbst nach jedem Gespräch mit meiner Gastmutter, nach jedem gemeinsamen Kochen mit MamaTila, ihrer Mutter, und nach jedem Spiel mit meinen Gastbrüdern geben. Compartir. Entender. Aprender.
Und selbst wenn ich nur die Hälfte der Ideen, die ich habe, umsetzten kann, dann schaffe ich Nachhaltiges, bringe den Menschen hier einen Nutzen und komme stolz und erfüllt zurück.

In diesem Sinne: Pura Vida.

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