Mit Enrique fuhren wir dann auch gemeinsam in das Indigenenreservat. Die Landschaft war unglaublich – unberührte Natur, Berge, Täler und soweit das Auge blickte Grün. Wir lernten seine Familie kennen und schauten uns die Herberge für Besucher an, die sein Sohn und Arne, ein Kolping Freiwilliger, aufgebaut hatten. Wir erfuhren eine große Menge über das Staudamm-Projekt "el Diquís", über die indigene Kultur der Térribe und über das Dorf mit seinen 1000 Einwohnern. Den Kopf voll mit Eindrücken und einer Flut von Informationen, führten wir ein ernstes Gespräch am Abend mit Enrique und seinem Sohn. Wir waren kritisch, ob ein Freiwilligendienst in Térraba überhaupt sinnvoll sei für wenige Wochen oder Monate, denn das Projekt ist gewaltig, die Arbeiten sind vielfältig und die Thematik komplex sowie problembeladen. Ruhig, dabei stets diplomatisch, machten uns die beiden unmissverständlich den Wert des Freiwilligendienstes bei ihnen klar: Soziale Projekte mit den Kindern, Bewahrung der indigenen Kultur, der Aufbau eines gesunden, nachhaltigen Besuchertourismus', internationale sowie mediale Vernetzung und Aufmerksamkeit im Kampf gegen el Diquís sind dringende Ziele, für deren Umsetzung internationale Freiwillige bereits in kürzester Zeit Fortschritte bringen würden aus ihrer Sicht. Meine Entscheidung war gefallen. Mein Projekt ist Longo Mai, doch ich möchte mich für die Vermittlung der Freiwilligen in jenes Pioniersprojekt engagieren. Noch am gleichen Abend rief ich Roland an und teilte ihm meine Ansichten sowie die Idee mit, den Überschuss an Freiwilligen im Zirkusprojekt und in Longo Mai für Térraba zu nutzen. Sie stieß bei allen Seiten auf Zustimmung, was mich sehr freute. Ich selbst möchte für ein bis zwei Monate mit Paula nach Térraba.
Am darauffolgenden Tag hatte ich ein unangenehmes Erlebnis: Allein auf dem Weg nach Pérez, quatschte mich im Bus ein zwielichtiger Typ an, ich solle mich zu ihm setzen. Mich lies das genuine Gefühl nicht los, in Gefahr - mindestens eines Überfalls - zu sein. Durch unser Vorbereitungsseminar rechnete ich immer mit einer solchen Situation und reagierte wie gelernt: ich setzte mich weiter nach vorne in den Bus, mitten in die Menschenmenge beim Fahrer. Ein Telefonat genügte und David kam mich an der Station abholen, sodass der Kerl mir nicht in der Stadt folgte. David schleppte mich gleich zu einer Vorführung des Zirkus'. In allen Städten war an diesem Wochenendauftakt zum Nationalfeiertag am Sonntag viel los; man sah Trommler, Fackeln und alles war geschmückt. Am Abend hatten die älteren Artisten noch einen Feuerauftritt auf der Straße, danach ging es in einer tollen Bar feiern.
Die Nacht endete etwas wild, doch gleich am nächsten morgen wartete Arbeit in Longo Mai. Die Frauen machten Tamales, ein landestypisches Gericht aus Maisstärke, das in Bananenblätter eingewickelt und gekocht wird, um sie am Nationalfeiertag zu verkaufen. Wirklich viel wurde uns extranjeros, uns Fremden, aber nicht zugetraut bei den heiligen Tamales, wir waren mehr fürs Probieren zuständig. Daher beschlossen wir gesättigt, uns mit dem Rest des Dorfes ein Spektakel mit Tänzen der Kinder und Jugendlichen aus den örtlichen Schulen anzusehen.
Heute Abend ist das erste Treffen der Kolpingfamilie bei Eduardo. Ich bin mir sicher, das wird lecker!
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