Sonntag, 16. September 2012

Eindrücke aus Térraba

Die Planung für unser Kulturfestival zog sich wie ein roter Faden durch die Woche; am Donnerstag fuhren Paula, Luisa und ich sehr früh los, um von Buenos Aires nach Térraba zu kommen und trafen einen Friseur, der mit seinem Sohn kolumbianische Musik beim Haare-Schneiden machte. Als man uns auf der Straße sah, wurden wir spontan abgefangen und bekamen eine Kostprobe. Wir dankten diese mit einer Einladung und freuten uns über den musikalischen Start in den Tag. Im Anschluss kaufte ich mir einen Regenschirm; an der Bushaltestelle gegenüber sprach mich ein älterer Herr an, ob ich Florian hieße. Er habe von den Leuten gehört, dass ein Tourist mit Gehstock, der sich als Regenschirm enttarnte, auf dem Weg zum Bus sei. Der Mann stellte sich als Enrique heraus, unser Gastgeber für zwei Tage, und die Stadt als äußerst gesprächig... 


Mit Enrique fuhren wir dann auch gemeinsam in das Indigenenreservat. Die Landschaft war unglaublich – unberührte Natur, Berge, Täler und soweit das Auge blickte Grün. Wir lernten seine Familie kennen und schauten uns die Herberge für Besucher an, die sein Sohn und Arne, ein Kolping Freiwilliger, aufgebaut hatten. Wir erfuhren eine große Menge über das Staudamm-Projekt "el Diquís", über die indigene Kultur der Térribe und über das Dorf mit seinen 1000 Einwohnern. Den Kopf voll mit Eindrücken und einer Flut von Informationen, führten wir ein ernstes Gespräch am Abend mit Enrique und seinem Sohn. Wir waren kritisch, ob ein Freiwilligendienst in Térraba überhaupt sinnvoll sei für wenige Wochen oder Monate, denn das Projekt ist gewaltig, die Arbeiten sind vielfältig und die Thematik komplex sowie problembeladen. Ruhig, dabei stets diplomatisch, machten uns die beiden unmissverständlich den Wert des Freiwilligendienstes bei ihnen klar: Soziale Projekte mit den Kindern, Bewahrung der indigenen Kultur, der Aufbau eines gesunden, nachhaltigen Besuchertourismus', internationale sowie mediale Vernetzung und Aufmerksamkeit im Kampf gegen el Diquís sind dringende Ziele, für deren Umsetzung internationale Freiwillige bereits in kürzester Zeit Fortschritte bringen würden aus ihrer Sicht. Meine Entscheidung war gefallen. Mein Projekt ist Longo Mai, doch ich möchte mich für die Vermittlung der Freiwilligen in jenes Pioniersprojekt engagieren. Noch am gleichen Abend rief ich Roland an und teilte ihm meine Ansichten sowie die Idee mit, den Überschuss an Freiwilligen im Zirkusprojekt und in Longo Mai für Térraba zu nutzen. Sie stieß bei allen Seiten auf Zustimmung, was mich sehr freute. Ich selbst möchte für ein bis zwei Monate mit Paula nach Térraba. 

Am darauffolgenden Tag hatte ich ein unangenehmes Erlebnis: Allein auf dem Weg nach Pérez, quatschte mich im Bus ein zwielichtiger Typ an, ich solle mich zu ihm setzen. Mich lies das genuine Gefühl nicht los, in Gefahr - mindestens eines Überfalls - zu sein. Durch unser Vorbereitungsseminar rechnete ich immer mit einer solchen Situation und reagierte wie gelernt: ich setzte mich weiter nach vorne in den Bus, mitten in die Menschenmenge beim Fahrer. Ein Telefonat genügte und David kam mich an der Station abholen, sodass der Kerl mir nicht in der Stadt folgte. David schleppte mich gleich zu einer Vorführung des Zirkus'. In allen Städten war an diesem Wochenendauftakt zum Nationalfeiertag am Sonntag viel los; man sah Trommler, Fackeln und alles war geschmückt. Am Abend hatten die älteren Artisten noch einen Feuerauftritt auf der Straße, danach ging es in einer tollen Bar feiern. 

Die Nacht endete etwas wild, doch gleich am nächsten morgen wartete Arbeit in Longo Mai. Die Frauen machten Tamales, ein landestypisches Gericht aus Maisstärke, das in Bananenblätter eingewickelt und gekocht wird, um sie am Nationalfeiertag zu verkaufen. Wirklich viel wurde uns extranjeros, uns Fremden, aber nicht zugetraut bei den heiligen Tamales, wir waren mehr fürs Probieren zuständig. Daher beschlossen wir gesättigt, uns mit dem Rest des Dorfes ein Spektakel mit Tänzen der Kinder und Jugendlichen aus den örtlichen Schulen anzusehen.


 

Getanzt wurde in Trachten zu traditioneller Musik. Auch am Abend gab es viel zu sehen, als die Kinder mit wunderschönen, selbstgebastelten Laternen durchs Dorf zogen, nachdem sie die Nationalhymne gesungen und spezielle Gedichte (bombas) vorgetragen hatten.
Den Sonntag selber fanden dann eine feria, ein Flohmarkt, und ein Fußballturnier statt. Mir machte es großen Spaß, in der sengenden Sonne zu spielen. Wir traten auch als Voluntarios gegen eine örtliche Frauenmannschaft an. Eine gewisse Freiwillige ließ es sich nicht nehmen, in Schwarz/ Gelb aufzulaufen, aber trotz alledem waren wir recht chancenlos gegen "diese Maschinen" (Zitat Paula). Schließlich schlugen wir uns wacker und schossen in der letzen Minute sogar noch den Anschluss- und Ehrentreffer zum 2:1. Zur Belohnung gab es eine herrliche Abkühlung im klaren Fluss und frisch gepressten Jugo mit Ananas von Doña Marta.
Heute Abend ist das erste Treffen der Kolpingfamilie bei Eduardo. Ich bin mir sicher, das wird lecker!

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