Mittwoch, 5. September 2012

Ein donnernder Beginn

Endlich da! Das war der erste Gedanke als unser Flugzeug auf der Landebahn in San José aufsetzte. Der Flug war gemütlich, teils lustig, aber vor allem langatmig. Trotz einiger technikbedingter Kommunikationsprobleme im Vorfeld, hatten wir das Glück, dass jemand mit einem Jeep am Flughafen auf uns wartete. Durch den wilden Verkehr des dreckigen und stockfinsteren San Josés ging es an riesigen Schlaglöchern vorbei zu unserem Hostel "casablanca". Die Herrin des Hauses, Maité, zeigte uns stolz ihre schöne Herberge mit Solardusche, Swimmingpool und Sonnenterrasse inklusive Blick über die Hauptstadt. Wir rieben uns die müden Augen über die neuen Bilder, Gerüche und Geräusche. In der Ferne hörten wir den Fluss rauschen und sahen den Nebel auf den Bergen liegen; am Himmel blitzte es geräuschlos auf.
Etwas später im Bett liegend, dachte ich an meinen Abschied in Köln. An dieser Stelle ein riesen Dankeschön an meine Freunde, die überraschend am frühen Morgen auftauchten, um mich zu verabschieden - ich habe mich sehr gefreut! Außerdem versuchte ich mich darauf zu konzentrieren, wie es mir eigentlich ging auf der Reise, was mich beschäftigte, worauf ich mich freute: Um ganz ehrlich zu sein, fühlte ich nicht wirklich etwas. Da war Vorfreude, weil es wirklich Spaß macht mit Paula und wir ein klasse Team abgeben. Ansonsten war alles wie in einem seichten Nebelschleier, der über allem liegt. Ab und zu flackerte die Idee auf, dass es nun für ein Jahr kein zurück gibt. Ehrlich gesagt, besteht zur Zeit auch gar nicht das Bedürfnis. Im Gegenteil, mich besticht das leise Gefühl, wir stehen vor dem Beginn von etwas Wunderbarem!

In jedem Fall war der Beginn donnernd und ein erschütterndes Erlebnis: Am Donnerstag Morgen wachte ich bereits gegen halb vier auf, schrieb in mein Reisetagebuch und las etwas. David lag neben mir uns schlief noch, als auf einmal das Bett leicht zu zittern begann. Die Vibration wurde immer heftiger, das Gestell begann zu knarzen. Ich schaute von meinem Buch auf und betrachtete meinen Bettgenossen. "Entweder er macht im Traum gerade etwas Unanständiges oder er schüttelt sich", dachte ich, denn er hatte sich die ganze Zeit über im Schlaf gewälzt und gesprochen. Das Zittern wurde jedoch immer stärker und intensiver, bis plötzlich das gesamte Bett zentimeterhoch hüpfte und mit einem lauten Knall auf dem Boden aufkam. Aus der Schrankwand neben mir schlugen die Türen auf, von der Decke sowie dem Untergeschoss kam ein lautes Grollen und im ganzen Haus klirrten zerschellende Gläser. Nun war ich mir sicher, dass David nicht die Quelle der Erschütterung war. In Sekundenschnelle schossen mir allerhand Gedanken in den Kopf, wie man sich im Falle eines Erdbebens zu verhalten hat. "Kletter unter einen Tisch, da ist es sicher", dachte ich. Das hatten wir auch auf dem Vorbereitungsseminar gelernt. Das blöde war nur, es gab leider keinen Tisch in unserem Raum und unter dem Bett war kein Platz. Zeitgleich wachte David endlich aus dem Tiefschlaf auf. Wir schauten uns in die Augen, während das Bett mit uns darin noch immer auf und ab sprang. Noch ehe einer von uns ein Wort sagen konnte, wurde das Beben schwächer und schwächer, bis es schließlich zum Erliegen kam. Nach einem kurzen Atemzug der Stille, sprang mein Bettnachbar plötzlich ruckartig auf, streckte die Arme in die Luft und verkündete: "Die Götter wollten, dass David aufsteht.". Ich wusste nicht, ob ich lachen oder ihn verfluchen sollte, das Adrenalin in meinem Körper machte mich noch Minuten später empfänglich für jedes Detail des Geschehens.

Nach dem ersten Schreck machten wir eine Bestandsaufnahme: Kaputte Vasen im Ganzen Haus und eine Schnittwunde des Autors von der Größe einer Hausstaubmilbe. In den Nachrichten berichteten sie, dass es sich um das stärkste Erdbeben Costa Ricas seit über zwanzig Jahren handelte. Auf der Richter-Skala erreichte es einen Wert von 7,5 und betraf vor allem den Norden des Landes sowie Nicaragua.
Nachdem sich alles beruhigt hatte und die Regierung Entwarnung bezüglich Nachwirkungen gegeben hatte, entschieden wir, die Weiterfahrt nach San Isidro anzugehen. Die Fahrt von der Hauptstadt dorthin dauert ungefähr vier Stunden mit Pause, wenn man einen direkten Bus nimmt. Wir kamen aus dem Staunen nicht mehr raus - immer mehr Grün, immer mehr Blumen, Farne und Bäume am Wegesrand. Wir waren also tatsächlich im Regenwald!!! Und es ging immer tiefer hinein nach Longo Mai, aber davon mehr im nächsten Post. Voraussichtlich ahorita - das heißt wörtlich bald und bedeutet irgendwann.

2 Kommentare:

  1. Das hört sich ja schon mal nach einem aufregenden Auftakt an! Ein Glück, dass du das Beben überstanden hast. Deine Beschreibungen vom Land und von der Atmosphäre sind sehr interessant, weiter so!

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  2. ich lese mit und bin gespannt auf jedes wort!
    lg, maria k :]

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