Donnerstag, 27. Juni 2013

Ometepe: Eine Insel mit zwei Bergen


Aus meinem Reisetagebuch:
 

San Carlos, den 19.06.2013 (Tag 288)


Wir sitzen auf einer großen Fähre richtung Ometepe, die jeden Moment losfährt. Die letzten Tage waren ermüdend und voller schöner Dinge. [...] 
Beim Schreiben dieses Reisebucheintrages

Die Reise begann, wohin alle Wege in Costa Rica führen. In San José kauften wir gemütlich ein und am Abend schauten wir uns eine Komödie im Theater an. Am frühen Morgen des nächsten Tages ging es mit dem Bus nach Los Chiles.An jener kleinen Grenze zu Nicaragua erwartete uns zwar zum ersten Mal keine Warteschlange, dafür konnten wir dann über vier Stunden auf das Grenzboot warten. (Not oder Übel? Not!) Um den Inhalt unserer Blasen sowie etliche Gebühren erleichtert, befuhren wir schließlich den río San Juan. Das schöne Flusspanorama und die reiche Tierwelt mit Reihern, Tölpeln, Schildkröten und vielen weiteren prachtvollen Lebewesen entschädigte für die Horde an Verrückten, die uns an diesem Tag begegnete.


Militär von Nicaragua beim kleinen Grenzübergang Los Chiles

Die Kaserne zu photographieren ist strengstens verboten




Eine zentralamerikanische Standart-Einreiseprozedur später, saßen wir auch schon im nächsten Boot auf das Solentiname-Archipel. Auf dem traumhaft schönen Künstlerinselchen Mancarrón suchten wir uns ein Hostel. [...] Wir erkundeten das Idyll der Kreativen, das sich ebenso als Vogelparadies entpuppte, gingen baden, lasen und entspannten. Zum Glück durften wir für ein paar Dollar die Küche des Hostels nutzen, andernfalls wäre uns das Geld ausgegangen. Da wir weder die Zeit hatten, zuvor in San Carlos abzuheben und auch noch nicht fit genug mit dem Umrechnungskurs von Euro in Córdoba waren, noch auf der Insel ein Bankautomat vorhanden war, steckten wir zwei Tage fest und mussten gut haushalten. Wie Köche der Nachkriegszeit meisterten wir souverän die Situation, wobei auch unser bisher angesammeltes Wissen über die zentralamerikansiche Flora gekonnt zum Einsatz kam.


Unsere Gastmama im Hostel





Kunstvolle Nester


So reichte das Geld schließlich sogar, um am letzten Tag für ein' Appel un' 'n Ei (es gibt nicht wirklich Äpfel auf Mancarrón, dafür aber Mangos) ein Kanu zu mieten. Von sechs in der Früh bis halb sechs am Abend paddelten wir über den Lago Nica (*unnützes Wissen: Lago Nica = größter See Zentralamerikas, 9. größter See Amerikas, 19. größter See der Welt). [...]
Wir waren bestens vorbereitet mit Schwimmwesten, hart rationiertem Essensproviant, Klopapier, einer Tube Gesichtssonnencreme "extrastark" aus der Drogerie in Dortmund, Simons Rudererfahrung, meinen Bärenkräften, Paulas Wagemut, einem kleinen Stück Angelschnur inklusive Haken und einer Abfotografie der Landkarte. Lediglich eine Kleinigkeit hatten wir vergessen - Wasser. Die Sonne brannte heiß und ungnädig. Niemand hatte damit gerechnet WIE weit unser Ziel, eine Höhle mit präkolumbianischen Inschriften, weg lag. Doch zum Beißen ins eigene Hinterteil blieb überhaupt keine Zeit angesichts der unberührten Natur, die zum Staunen und Genießen gleichermaßen verleitete. Pflanzen und Tiere, wohin das Auge blickte. Ruhiges, sanftes Wasser. Wir stießen tatsächlich auf gleich mehrere Höhlen, eingelassen in Felsen. Beim Befahren stoben unzählige Fledermäuse hervor.
Einen Tölpel, der sich fatal in einer Angelschnur verheddert hatte, retteten wir heldenhaft. Paula wurde sogar gebissen, ehe ich den Vogel am Hals fixiert bekam. Mit Stolz geschwollener Brust ruderten wir, unsere lezten Kräfte mobilisierend, der Heimatinsel entgegen [...]






In den Höhlen leben viele, viele Fledermäuse




Nachdem wir ihn gerettet haben, warten wir noch auf den Preis von Greenpeace.
Mir persönlich würde auch eine Fahrt mit dem Schlauchboot in der Arktis
gegen Walfänger schon reichen als kleine Anerkennung

Sonnenschutz, wo teure Cremes versagen


Am Ende des Tages kratzten wir die letzten verbliebenen Notgroschen auf, um uns mit einem eisgekühlten Bier zu belohnen für die durchgemachten Strapazen. Mit sonnenbrandroten Köpfen saßen Simon und ich in der Küche, bereit unser gewohnt kärgliches Sparmahl einzunehmen, als Paula uns plötzlich mit einem Prachtexemplar von Fisch überrumpelte. Zwar nicht selbst gefangen, dafür aber energisch den Fischern gleich von der Route abgefeilscht; fast genauso schön und vor allem ein leckerer, gelungener Abschied von Mancarrón. [...]




Granada, den 22.06.2013 (Tag 231)

Die Überfahrt nach Ometepe dauerte lange und war anstrengend. Nach einer Nacht im Hostel, begannen wir die Erkundung der Insel mit zwei Bergen und im tiefen weiten See. Erste Station, "ojos de agua" (Augen des Wassers), die sich als Schwimmbad herausstellten, das mit Vulkanquellwasser gespeist wird. Trotz zweifelhafter Authentizität ein friedlicher, entspannter Ort. Noch besser gefiel mir sogar der darauf folgende Fußmarsch durch die Inselnatur, durchgängig mit See- und Vulkanpanorama. Beide Vulkane waren sanft in einen Nebelschleier umhüllt.




Als wir schließlich Santo Domingo, den Ortsteil zu dem unser angestrebtes Ziel, das berühmte Zopilote gehört, erreichten, fraß uns unser Hunger bald von Innen auf. In einem urigen Comedor mit Seeblick - tollende, trinkende Pferde am Strand und ein Papagei auf Paulas Schulter inklusive - gab es deftige Nicaraguanische Hausmannskost. Es gibt kaum etwas schöneres als zum perfekten Zeitpunkt das perfekte Restaurant am perfekten Ort. Lebensqualität pur kann dann schonmal für 6$ erwerblich sein. Wir waren glücklich, machten die Augen zu und genossen diesen Moment gegen Ende eines Jahres, das unglaublich und für uns alles andere als selbstverständlich war.[...] Auch die restliche Zeit auf der Insel ließen wir es uns gut gehen.





Lagune des kleines Vulkanes, den Paula und Simon tapfer erklommen



Heute verließen wir Ometepe vom Hafen Moyogualpa aus, wo ich Jonas und Julia, die ich in Riobamba (Ecuador) kennengelernt hatte, völlig überraschend wiedertraf. Die Welt ist so winzig! Nirgendwo spürt man das so deutlich wie als Ausländer in Lateinamerika. Aufregung des Tages war jedoch ein Unfall, den unser Chickenbus baute. Wie auf Sizilien kreuzen die Straßen von Ometepe permanent Oxen, Kühe, Schweine und andere Tiere. Unser Kamikaze-Fahrer rammte mit Schmackes einen Ochsenkarren und beförderte dessen Kutscher mit hohem Bogen in einen Graben. Anstelle eines Krankenwagens erschienen dreißig Minuten später zwei Polizisten mit M4 im Anschlag. Zum Glück kam der Bauer mit ein paar Schürfern davon und wir mit dem darauffolgenden Bus; es wurde eben wieder einmal kuschelig. Inzwischen sind wir über Rivas in Granada angekommen, wo wir wie es aussieht länger als geplant bleiben werden, Paula ist krank geworden und momentan stehen die Zeichen nicht auf Besserung.


"Keinen Müll wegschmeißen"
Standart-Schild, dass in ganz Lateinamerika nicht selten ungewollt zum netten Wortspiel avanciert:
botar = wegschmeißen; votar = wählen, beides wird wie "b" am Anfang ausgesprochen.



Granada wurde noch wunderschön. Trotz Perversion von auf Armut aufgebautem Tourismus, hat die Kolonialstadt nichts desto trotz ihr ganz eigenes Flair. Kultur, Geschichte, bunte Häuser. Hier abschließend noch einige Impressionen von der letzten Station unseres Urlaubs. Den mussten wir nämlich krankheitsbedingt abbrechen. Die entgültige Entscheidung fiel in San José, wo Paula und Simon beide merklich angeschlagen angelangten, dass es keine Weiterfahr nacht Limón oder Tortuguero geben wird. Das ist nur gut so, sonst hätten wir ja, wenn wir eines Tages nach Costa Rica zurückkehren werden, gar nichts Neues mehr zu entdecken - so viel, wie wir schon sehen durften! Was für ein grandioser Urlaub zum Abschied nochmal als eingespieltes Trio. 






Grabgefäße eines indigenen Volkes, die an den Bauch der Schwangeren Frau erinnern sollen,
um dem Toten so die Wiedergeburt zu ermöglichen


Gastspiel: Sambagruppe aus Brasilien,
für die Nicaraguaner gab es dann aber auch noch heißen Salsa




An einem Sonntag Nachmittag kann die sonst vor Leben pulsierende
Gastro- und Einkaufsmeile wie leergefegt sein





Schlange bei der Einreise nach Costa Rica. Längst Routine für uns - kein Grund, sich nicht aufzuregen!
Wir stehen hinter dem Zaun um die Ecke, nahe dem türkisen Reisebus.
Wilkommen in Costa Rica "Gott behüte deinen Weg"



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